[Review] Revolver

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superfly tnt
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Beitrag#1  16.10.08 - 20:39  [Review] Revolver Antworten mit Zitat



Guy Ritchie. Seit Bube, Dame, König, GrAS und Snatch verbindet man diesen Namen mit unterhaltsamer Gangster-Kost im Stile eines Quentin Tarantino. Den Bruch in seiner aufstrebenden Karriere markierte seine Heirat mit Pop-Greisin Madonna. Um seine Gemahlin in der Filmwelt zu etablieren, schusterte er ihr 2002 mit Swept Away eine romantische Komödie auf den Leib, die ihm weltweit nur Hohn und Spott entgegenbrachte. In seiner englischen Heimat weigerten sich die großen Kino-Ketten sogar, den Film in ihr Programm aufzunehmen. Für Ritchie bedeutete dies der Totalabsturz, das wohlmögliche Ende einer kurzen Laufbahn als angesehener und respektierter Regisseur. 3 Jahre später jedoch ruderte er zurück. Mit Revolver wagte er sich wieder in sein angestammtes Metier und präsentierte einen Gangsterthriller, der sich jedoch inhaltlich stark von seinen vorherigen Produktionen abgrenzte. Revolver war düsterer, ernster & philosophischer. Sicherlich der Hauptgrund, dass der Film an den Kassen floppte, denn Fans waren etwas anderes von Ritchie gewohnt.

7 Jahre lang hat er auf diesen Tag gewartet. Nach seiner Entlassung aus dem Gefängnis ist Jake Green (Jason Statham) ein neuer Mensch. Während der Isolationshaft bekam er von seinen mysteriösen Zellnachbarn, einem Schachgenie und einem gerissenen Betrüger, alles über die Welt in den Casinos gelernt. Gewappnet mit seinem Wissen macht er sich auf in das Etablissement des Gangsters Macha (Ray Liotta), der die Macht hat, nie zu verlieren. Jake jedoch gelingt das Kunststück, Macha auszunehmen und den Mafioso bis hinter beide Ohren zu blamieren. Damit zieht er sofort dessen Zorn auf sich und Macha setzt den besten Killer der Stadt (Mark Strong) auf ihn an. Als auch noch die zwielichtigen Kredithaie Avi (André Benjamin) und Zack (Vincent Pastore) mit Jack Geschäfte machen wollen, beginnt eine außergewöhnlich düstere und ernste Hatz durch die britische Unterwelt.

Für seinen Comeback-Versuch engagierte Ritchie seinen ehemaligen Protegé Jason Statham, den er Ende der 90er durch geschickte Rollen weltweit bekannt machte. Statham wusste , dass sein Gesicht seinem Ex-Mentor zu neuem Ruhm verhelfen könnte, nicht nur wegen seinem Image als knallharter Actionstar, sondern auch als Bindeglied zu Ritchies großen Filmen. Demzufolge schrieb Ritchie die Geschichte förmlich um Statham, der als Dreh-/ und Angelpunkt des Films die zentrale Rolle in Revolver einnimmt. Es gibt aber auch zahlreiche andere Aspekte, die Querverbindungen schaffen zu Bube, Dame, König, GrAS und Snatch. Da wäre zum einen die Grundidee einer ausgeklügelten Gangster-Geschichte, die inhaltlich weit verzweigt überrascht und mit einer gehörigen Portion Coolness das breite Publikum ansprechen soll. Auch die für Ritchie so typische, breit gefächerte Figurenansammlung kommt in Revolver wieder zum tragen. Stilistisch bleibt der Regisseur sowieso bei bewährten Mitteln, sei es die Kamera oder der geniale Soundtrack. De facto hatte Ritchie 2005 alle Zutaten zusammen, um das Publikum wieder auf seine Seite zu ziehen. Doch dies blieb den Kinos lieber fern, boykottierte den Film förmlich in einer von Ritchie und Produzent Luc Besson vorher nicht geahnten Form. Dies hatte sicherlich 2 Hauptgründe. So löste der Film im Vorfeld große Diskussionen in den britischen Medien auf, die die Werbepolitik von Revolver aufs Schärfste kritisierten. Ausgelöst wurden die Kontroversen von einem angeblichen Sun-Zitat, welches das offizielle Plakat zierte (”Brilliant…Guy Ritchie at its best“). Das Problem war nur, dass dieser Satz in der Zeitung vorher nie veröffentlicht wurde, sondern nur auf deren Online-Angebot und das dort der Satz wiederum nur Bestandteil eines Pressetextes einer im Auftrag der Filmproduzenten tätigen Werbeagentur war. Der zweite - und hauptsächliche Grund - war wohl die Tatsache, dass sich unter der Oberfläche eines coolen Gangsterfilms eine überraschend tiefgründige und ernste Geschichte verbarg, bei der der Zuschauer sich nicht nur von Bildern und Musik zurieseln lassen konnte, sondern von der ersten Sekunde an mitdenken musste, um die Komplexität des Plots zu verstehen (wofür es übrigens weit mehr als eine Sichtung bedarf).

Provokativ betrachtet ist Revolver Guy Ritchies stärkster Film. Die Menge an Ideen, die der britische Regisseur hier nämlich einbrachte, stellt seine vorherigen Filme weit in den Schatten. Auf visueller Ebene überzeugt der Streifen nicht nur durch die für Ritchie typische Kameraarbeit inklusive schneller Cuts, sondern durch den geschickten Einsatz von Comic-Sequenzen und anderen optischen Spielereien. Klar, Kritiker werden dagegenhalten, dass sein Vorbild Quentin Tarantino schon viel früher Comic-Szenen in seine Filme einbaute, aber Ritchie relativiert dies durch eine ganz andere Intention. Während Tarantino nämlich eine der brutalsten Szenen in Kill Bill komplett im Asia-Style animieren lies, erlebt der Zuschauer bei Revolver einen kurzen shot mit einem imposanten, ständigen Wechsel zwischen Animationen und Realität. Diese Verschmelzung hat inhaltlich gar keine große Bedeutung, lockert aber den Film gewaltig auf und zeugt von Ritchies Ideenreichtum. Ein weiteres optisches Highlight sind die Sauna-Szenen des Mafioso Macha, die in ein kräftiges, hellblaues Neon-Licht getaucht sind. Aber nicht nur visuell beeindruckt Revolver auf ganzer Linie, sondern auch soundtechnisch. Eigentlich hatte Ritchie vor, den Soundtrack ähnlich Bube, Dame, König, GrAS und Snatch zu gestalten. Im Verlaufe der Dreharbeiten merkte er aber, dass er durch zum Teil gänzlich verschiedener Klänge ganz neue Nuancen in den Film einbauen konnte. So verpflichtete er mit Nathaniel Mechaly einen Komponisten, der einen Score komponierte, der verschiedene Musikarten wie Jazz, Klassik und elektronischer Musik vereinte und damit ein außergewöhnliches Klangerlebnis erschuf.

Auch auf inhaltlicher Ebene hat Ritchie eine Menge an Ideen einfließen lassen und so einen schwer zu verdauenden Gangsterthriller erschaffen. Neben den Dialogen, die gewohnt cool daherkommen und dem bunten Figurenensemble überzeugt Revolver vor allem durch inhaltliche Tiefe. Die Grundgeschichte ist nur der Leitfaden für tiefgreifende Themen wie Angst, Macht, Gier & Verrat. Ritchie erzeugt einen Plot auf diversen Ebenen, der dadurch genau so komplex wie interessant daherkommt. Der Zuschauer sieht keinen Film, den man auf Anhieb versteht, sondern einen Film, bei dem man nachdenken muss über die Wechselwirkung der Figuren und ihren Handelns. Grund dafür sind auch die diversen Zeitsprünge und Schauplatzwechsel, die bei der ersten Sichtung sehr irritieren, bei näherer Betrachtung aber plausibel sind. Definitiv weiterhelfen bei der Interpretation des Stoffes tun diverse Einblendungen von Zitaten berühmter Persönlichkeiten aus der Geschichte, die sich wie ein zweiter Leitfaden durch den Film ziehen. Trotzdem muss man sagen, dass hier vielleicht etwas weniger mehr gewesen wäre. Es ist zwar lobend für Ritchie, wenn er so viele verschiedene Ideen hat, aber der doch sehr verworrenen Komplexität hätte man etwas den Wind aus den Segeln nehmen können.

Ein großer Pluspunkt für den Film ist das illustre Darstellerensemble. Jason Stathams Rolle ist ein kleiner Bruch in dessen Biografie, ist diese doch sehr tiefgründig und auch emotional. Somit zeigt sich Statham von einer ganz anderen Seite und beweist, dass er auch Talente im Charakterfach besitzt. Aus der zweiten Reihe trumpft vor allem Ray Liotta als Gangsterboss auf. Liotta, der in den letzten Jahren eher durch seine Alkoholprobleme denn guter Rollen auffiel, geht in seiner ambivalenten Rolle richtig auf und gibt eine ganz starke Performance ab. Auch Mark Strong kann als eigenwilliger Killer mit psychischen Problemen überzeugen und bietet sich an für weitere Hollywood-Produktionen. Komplettiert wird der Cast durch Namen wie André Benjamin (Outkast) oder Vincent Pastore, die als eigenwilliges Kredithai-Team eine denkwürdige Performance abliefern.

Mein Fazit:

Mit Revolver wollte Guy Ritchie nach seinem Flop Swept Away zurück zu seinen Wurzeln, dem ambitionierten Gangsterfilm á la Quentin Tarantino. Das Resultat ist aber ein etwas anderes und zeugt von Ritchies gewachsener Persönlichkeit. Unter der Oberfläche schlummert nämlich ein tiefgründiger, komplexer und dramatischer Thriller, der den Zuschauer intellektuell fordert. Audiovisuell beeindruckt Revolver auf ganzer Linie, von den Kamerafahrten über die Schnitte bis hin zu dem genialen Soundtrack stimmt alles. Um den Film zu verstehen, muss man ihn mehr als einmal gesehen haben, denn erst dann begreift man seine inhaltliche Tragweite. Diese Kritik ist nach zwei Sichtungen als eine Momentaufnahme zu sehen, nach weiteren Sichtungen ist eine Korrektur der Wertung wahrscheinlich. (7/10)

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